BRG Dreihackengasse, Graz und BRG Kepler, Graz
Welche Auswirkungen haben Chemotherapien in der Schwangerschaft auf das ungeborene Kind?
Eine Chemotherapie ist eine Behandlung für oft tödliche Tumore und bekannt für ihre starken Nebenwirkungen. Sie ist aber in vielen Fällen unumgänglich – auch bei Schwangeren, da man das Leben der Mutter retten muss. Ob eine Chemotherapie bei Schwangeren gesundheitliche Folgen für das Kind im Mutterleib hat, ist in der Forschung umstritten. Im folgenden Artikel wird zunächst erklärt, was eine Chemotherapie ist. Danach werden die verschiedenen Standpunkte der ForscherInnen dazu genauer erläutert.
Was ist eine Chemotherapie?
Unter „Chemotherapie“ versteht man eine medikamentöse Behandlung mithilfe von Zytostatika. Das sind Medikamente, welche die Zellteilung stoppen und damit das Tumorwachstum hemmen. Die Zellen bösartiger Tumore haben in der Regel eine sehr hohe Teilungsrate, weshalb Zytostatika hier sehr gut wirken. Allerdings greifen sie auch gesunde Zellen und Gewebe an, zum Beispiel Schleimhäute. Dadurch entstehen viele Nebenwirkungen, wie unter anderem Haarausfall (Abb. 1), Blutgerinnungsstörungen oder Organschäden an Leber, Herz und Nervengeweben. Zusätzlich gibt es auch Spätfolgen bzw. Langzeitfolgen
dieser Therapien, wie Schädigungen der Nerven, Unfruchtbarkeit oder Erschöpfungszustände [1].
Die drei Phasen einer Chemotherapie
Grundsätzlich besteht eine Chemotherapie aus drei Phasen, die die PatientInnen durchlaufen müssen: die Induktionsphase, welche die aggressivste Therapie ist und den Tumor zurückbilden soll. Die Konsolidierungsphase, in welcher die Chemotherapie in geringerer Dosis eingesetzt wird, um den Rückgang zu stabilisieren. Und als letztes die Erhaltungsphase, welche nur das Wiederaufleben der Tumorzellen verhindern soll. Oft werden Chemotherapien bei Leukämie, Lungen- oder Brustkrebs eingesetzt (Abb. 2). Die häufigsten Chemotherapien werden über Infusionen verabreicht, wobei manche auch in Form von Tabletten eingenommen werden können. Dabei kann jedoch die Dosierung nicht so genau angepasst werden. Allerdings verwendet man zur Behandlung von Tumoren nicht nur Chemotherapie, sondern sie wird in Kombination mit operativen Eingriffen, Strahlentherapien oder Immuntherapien angewendet [1].
Schaden Chemotherapien ungeborenen Kindern im Mutterleib?
Obwohl Studien zur Anwendung von Chemotherapien in der Schwangerschaft durchgeführt wurden, gibt es keinen einheitlichen Standpunkt. Einerseits gibt es die Auffassung, dass Chemotherapien während der Schwangerschaft keinerlei Schäden oder Spätfolgen für das Kind mit sich bringen. Andererseits findet man Studien, die davon ausgehen, dass es doch Folgen wie Frühgeburten oder Missbildungen geben kann, vor allem beim Einsatz von Chemotherapien im 1. Trimenon.
Zur Auffassung, dass eine Krebserkrankung und damit verbundene Chemotherapie während der Schwangerschaft zumindest keine Folgen für die Intelligenzentwicklung hat, trägt maßgeblich eine Längsschnittstudie des International Network on Cancer, Infertility and Pregnancy (INCIP) bei [Internationales Netzwerk für Krebs-, Unfruchtbarkeits- und Schwangerschaftsforschung] [2].
In dieser Studie wurden insgesamt 129 Kinder im Alter zwischen 12 und 42 Monaten untersucht und mit einer Kontrollgruppe verglichen, also mit Kindern, deren Mutter während der Schwangerschaft gesund gewesen war. Von den Kindern der an Krebs erkrankten Mütter waren 96 während der Schwangerschaft Chemotherapien ausgesetzt gewesen, die restlichen hatten andere Therapieformen erhalten. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen bzgl. der Intelligenzentwicklung festgestellt werden [2]. Weiters wurde eine Längsschnittstudie von Aviles und Neri (2001) durchgeführt, die Kinder, welche im Bauch der Mutter Chemotherapien ausgesetzt waren, auf Gesundheit, Wachstum und Entwicklung untersuchten. Aviles und Neri kamen zum Schluss, dass es keine Abnormitäten im Gewicht, in der Größe oder bei anderen Faktoren gab. Auch bei einem abschließenden Gespräch, welches im Durchschnitt 18,7 Jahre später stattfand, zeigten sich keine Spätfolgen der Chemotherapie während der Schwangerschaft [3].
Chemotherapie erst, wenn die Organe ausgebildet sind?
Im Gegensatz dazu vertreten andere ForscherInnen den Standpunkt, dass der Beginn der Therapie vor der 14. Schwangerschaftswoche (SSW) zu erhöhten Risiken, beispielsweise zu Fehlgeburten, führen kann, da der Abschluss der Organbildung zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht wurde. So zeigten Salmen et al. (2012), dass nicht chemotherapeutisch behandelte Frauen zwar tendenziell häufiger eine Frühgeburt haben als behandelte. Jedoch ist die Fehlbildungsrate bei Kindern von Frauen, die in der Schwangerschaft zytostatisch behandelt wurden, deutlich höher (2,1 % gegenüber 0,84 %).
Allerdings kamen Salmen et al. (2012) zu dem Schluss, dass Chemotherapien ab dem zweiten oder dritten Trimenon ohne Risiko für den Fetus eingesetzt werden können [4]. Eine 2012 durchgeführte Studie mit dem Titel „Mammakarzinom in der Schwangerschaft“ von Loibl et al. kam zu einem ähnlichen Ergebnis, nämlich, dass erst ab dem Abschluss der Organogenese, also ab der 13. SSW, mit einer Chemotherapie begonnen werden sollte [5].
Oduncu et al. (2006) sprechen sich in ihrem Werk „Tumortherapie bei
Schwangerschaften“ gegen den Einsatz von chemotherapeutischen Medikamenten während der Schwangerschaft aus, da diese ihres Erachtens im ersten Trimenon zu Fehlbildungen des Kindes führen können. Dabei steigt die Fehlbildungsrate bei der Anwendung von Chemotherapeutika auf
bis zu 25 %, weshalb die obengenannten Medikamente im ersten Trimenon vermieden werden sollten [6].
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ForscherInnen wie Aviles und Neri (2001) der Meinung sind, dass es keine Folgeerscheinungen für das Kind geben kann. Andererseits sind ForscherInnen wie Salmen et al. (2001) der Meinung, dass es sehr wohl zu Problemen wie Fehlbildungen oder Frühgeburten kommen kann, vor allem, wenn die Behandlung zu früh beginnt. Abschließend ist also anzumerken, dass die Anwendung von Chemotherapien während der Schwangerschaft immer noch sehr umstritten ist und in den nächsten Jahren noch weitere Forschungen nötig sind.
Artikel als PDF (127 KB)
Quellen
[1] Machetanz, L. (2017). Chemotherapie https://www.netdoktor.de/therapien/chemotherapie/ [01.08.2018]
[2] Amant, F., et al. (2015). Pediatric Outcome after Maternal Cancer Diagnosed during Pregnancy. The New England
Journal of Medicine; 373:1824-1834.
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1508913 [01.08.2018]
[3] Aviles, A. & Natividad, N. (2001). Hematological Malignancies and Pregnancy: A Final Report of 84 Children who Received
Chemotherapy in Utero. Clinical Lymphoma; 2: 173-177.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S152696551170149X [01.08.2018]
[4] Salmen, J., Huober, J. & Janni, W.; (2012). Chemotherapie in der Schwangerschaft. Der Gynäkologe; 45: 933–938.
https://link.springer.com/article/10.1007/s00129-012-3029-2 [01.08.2018]
[5] Loibl, S. (2012). Mammakarzinom in der Schwangerschaft. Der Gynäkologe; 45: 927–932.
https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00129-012-3026-5 [01.08.2018]
[6] Oduncu, F.S., Kimmig, R. & Emmerich, B.(2006).
Tumortherapie bei Schwangerschaften. In: Schmoll, H.-J.,
Höffken, K., Possinger, K. (Hrsg.): Kompendium Internistische
Onkologie. S.1203-1210. https://link.springer.com/chapter/
10.1007/3-540-31303-6_80 [01.08.2018]
Abbildung 1:
https://commons.wikimedia.org/wiki/
File:Pediatric_patients_receiving_chemotherapy.jpg [25.3.2019]
Abbildung 2:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/bf/
Thorax_pa_peripheres_Bronchialcarcinom_li_OF_markiert.jpg
/1024px-Thorax_pa_peripheres_Bronchialcarcinom_li_OF_markiert.jpg
[25.3.2019]