BRG Kepler, Graz
Dr. Siegfried Hekimi und Dr. Wen Yang, Forscher des Department of Biology der McGill University in Montreal, stießen bei einem Experiment auf ein verblüffendes Ergebnis. Die Wissenschaftler behandelten Fadenwürmer mit Paraquat, einem Herbizid, das die Anzahl der freien Radikale im Organismus erhöht und dadurch ein Lebewesen tötet. Die Würmer überlebten die Behandlung aber nicht nur. Sie lebten sogar länger als gewöhnlich.
Bereits bei der Entstehung der ersten Zellen beginnt deren Alterung. Wie wir leben, was wir tun, alles beeinflusst das Fortschreiten des Alterns. Zellen werden repariert, neue entstehen durch Teilung, aber sie sind nie so frisch wie die allerersten. Jede Zelle ist vorprogrammiert, nach einer bestimmten Zeit zu sterben. Diesen vorprogrammierten Tod nennt man Apoptose.
BESCHÄDIGTE ZELLEN OPFERN SICH, UM DEM ORGANISMUS ZU HELFEN
Stellt eine Zelle ein Problem fest, das sie nicht beseitigen kann, startet sie einen streng kontrollierten Selbstmord, um größere Systemfehler zu vermeiden. Als Erstes werden alle Kontakte zu anderen Zellen abgeschnitten. Danach wird das Cytoskelett, das der Zelle Form und Stabilität verleiht, abgebaut, wodurch die Zelle zu schrumpfen beginnt. Die Zelle schnürt kleinere Vesikel aus ihrer Zellmembran ab, in denen sich zerlegte Zellorganellen befinden. Proteine an der Zelloberfläche signalisieren den Makrophagen, Zellen des Immunsystems, dass sie gefressen werden können. Die entstandene Gewebslücke wird durch die Teilung der Nachbarzellen aufgefüllt. Krebszellen begehen übrigens keinen Selbstmord, ihr Selbstzerstörungsmechanismus ist ausgeschaltet.
Dem kontrollierten Zelltod kommt auch Bedeutung im Immunsystem zu. Wenn ein Fremdkörperchen, etwa ein Virus, in den Organismus gelangt und als solcher erkannt wird, wird es von einem Makrophagen gefressen. Einige Proteine des Fremdkörpers werden auf der Oberfläche des Makrophagen „ausgestellt“. Diese Proteine werden von T-Helferzellen registriert, welche Zytokine als Botenstoffe abgeben und das Immunsystem in höchste Alarmbereitschaft versetzen. Das Immunsystem beginnt dann mit dem Angriff auf infizierte Zellen, was mit deren Apoptose endet. Der kontrollierte Zelltod spielt aber nicht nur bei der Krankheitsbekämpfung, sondern auch bei unserer vorgeburtlichen Entwicklung eine wichtige Rolle. Ohne ihn hätten wir keine Finger oder Zehen. Der Embryo besitzt nämlich flossenartige Hände und Füße. Erst durch den kontrollierten Zelltod des Gewebes zwischen den Knochen entstehen einzelne Finger und Zehen.
Abb. 1: Fadenwurmweibchen
LÄNGER LEBEN OHNE ZELLTOD?
Ohne vorzeitige Apoptose könnten wir allerdings länger leben. Dazu gibt es bereits zahlreiche Versuche. So läuft das Altern bei geringerer Produktion des Wachstumshormons (Somatotropin) und der Geschlechtshormone (Östrogen und Testosteron) schneller ab. Es wurden Hormontherapien entwickelt, die möglicherweise das Altern hinauszögern können. Stephen R. Spindler und sein Team der University of California haben zudem bewiesen, dass Mäuse, die eine kalorienarme Diät bekommen, länger leben als gewöhnlich. Andere Versuchsorganismen wurden mit Antioxidantien, wie Vitamin C, behandelt. Sie lebten ebenfalls länger als gewöhnlich. Bei den mit Paraquat behandelten Würmer wird angenommen, dass die durch Radikale angeregten Zellen eher als andere dazu neigen, die Zellreparatur zu maximieren, wodurch das Altern verlangsamt wird.
Dieses scheinbar paradoxe Phänomen wird gerade mit Hilfe von Mutanten des Fadenwurms Caenorhabditis elegans genauer untersucht. Derartige Forschungen ermöglichen eine bessere Kenntnis über den Zelltod und eröffnen möglicherweise einen neuen Weg für eine Methode, die das menschliche Leben verlängert.
Abbildung: Nadine Timmermeyer, Universität Tübingen
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