Akademisches Gymnasium, Graz
Wer kennt sie nicht, die großen schwarzen Stromzähler, die in jedem Haushalt irgendwo hängen, mit der schönen Drehscheibe, die man durch ein kleines Glasfenster beim Drehen beobachten kann? Sie heißen auch Ferraris-Zähler (Abb. 1), benannt nach dem italienischen Ingenieur und Physiker Galileo Ferraris.
Die Drehgeschwindigkeit der Scheibe ist dabei proportional der elektrischen Wirkleistung – d.h. je mehr elektrische Energie dem Netz entnommen wird, desto schneller dreht sich die Scheibe. Ein Zählwerk zählt dann noch die Anzahl der Umdrehungen – diese ergibt dann die tatsächlich umgesetzte elektrische Energie in Kilowattstunden (kWh) [1]. Die Kilowattstunde ist eine physikalische Einheit für Arbeit. Sie entspricht der Energie, die eine Maschine mit einer Leistung von einem Kilowatt in einer Stunde aufnimmt. Also ist der Alltagsbegriff „Stromzähler“ eigentlich gar nicht richtig. Jetzt aber wieder zum Zähler selbst: Um die Zähleranzeige abzulesen, muss das Energieversorgungsunternehmen einmal im Jahr einen Zählerableser vorbeischicken, der den Zählerstand aufschreibt. Dann wird der Zählerstand vom Vorjahr abgezogen (d.h. die Jahresentnahme an elektrischer Energie ermittelt) und eine Jahresabrechnung gemacht. Doch Stück für Stück verschwinden die schwarzen Riesen jetzt aus den Haushalten – ersetzt durch ihre smarten, handlichen Nachfolger.
SMART, SMARTER, SMARTMETER
Smartmeter (Abb. 2) nennt man eine neue Generation von intelligenten Stromzählern, die bis Ende 2019 zum Großteil die alten Drehstromzähler in Österreich ersetzen sollen [2]. Diese neuartigen Zähler arbeiten nach einem grundlegend anderen Prinzip. Der Strom, der ins Haus fließt, wird durch einen hochpräzisen Widerstand (Messwiderstand) geleitet. Der Spannungsabfall am Widerstand wird gemessen und mit einem ADC (Analog to Digital Converter) digitalisiert. Da die Größe des Widerstands R und jetzt auch der Spannungsabfall U bekannt ist, kann man mit dem Ohm‘schen Gesetz (I = U/R) die Stromstärke I und damit auch die Leistung berechnen. Dafür sorgt eine Mikrocontroller-Einheit im Smartmeter. Diese Einheit sendet ihre gemessenen Daten regelmäßig (alle 15 Minuten) über die Stromleitung oder auch über Funk oder Internet an das jeweilige Energieversorgungsunternehmen [3]. Ein Zählerableser wird nicht mehr benötigt.
Aber Smartmeter können noch mehr: Das Energieversorgungsunternehmen kann über sie den elektrischen Strom in den einzelnen Wohnungen aus der Ferne einschalten, abschalten oder auch begrenzen, sozusagen per Knopfdruck. Die Verbrauchsdaten werden an zentraler Stelle gespeichert und können von den Verbrauchern über das Internet abgerufen werden.
VORTEILE DES SMARTMETERS
Smartmeter können große Vorteile bieten. Die Energieversorger sparen Zeit und Geld, da das Zählerablesen automatisch funktioniert. Zudem müssen Kunden beim Neuanmelden oder Abmelden nicht mehr warten, bis ein Elektriker ins Haus oder in die Wohnung kommt und ihnen den Strom ein- oder abschaltet. Die Konsumenten können über das Internet ständig ihre Energieentnahmedaten anschauen, auch die Tages-, Wochen- und Monatsenergieentnahme als Diagramm. So kann es am Ende des Jahres keine böse Überraschung geben (wenn zum Beispiel die Energieentnahme stark gestiegen ist und eine Nachzahlung fällig wird). Zusätzlich sollen Smartmeter in Zukunft die Menschen dazu bringen, zu gewissen Zeiten elektrische Energie zu sparen. Zu manchen Tageszeiten wird besonders viel elektrische Energie benötigt, wie zum Beispiel zu Mittag, wenn in allen Fabriken die Maschinen laufen und zusätzlich noch in den Haushalten die Elektroherde in Betrieb sind. Energieversorger müssen dann oft zusätzliche Kraftwerke einschalten, um genug Energie zur Verfügung zu haben. Mit Hilfe des intelligenten Zählers könnte die zu bestimmten Zeiten entnommene elektrische Energie teurer verrechnet werden als zu Zeiten, in denen mehr Energie zur Verfügung steht. Wenn das die Konsumenten dazu bringt, gewisse „Stromfresser“, wie zum Beispiel Waschmaschinen und Geschirrspüler, erst am Abend einzuschalten, könnte der bereitgestellte Strom besser als bisher genutzt werden. Das soll auch einmal automatisch möglich sein mit intelligenten Elektrogeräten, die sich so programmieren lassen, dass sie sich zu Zeiten einschalten, zu denen der Strom günstig ist [4].
Smartmeter sind ein wichtiger Bestandteil neuer intelligenter Stromnetze, sogenannter „Smart Grids“ (Abb. 3), in denen die Energie oft von vielen kleinen Generatoranlagen kommt (Photovoltaik, Windräder, Biogasanlagen), und von Haushalten nicht nur Energie aus dem Netz entnommen wird, sondern auch bereitgestellt und ins Stromnetz geliefert wird. Um die so gewonnene elektrische Energie gut verteilen und nutzen zu können, müssen Energielieferanten und Energiekonsumenten im Smartgrid miteinander kommunizieren. Alle Informationen laufen in einem zentralen Rechenzentrum zusammen. Dieses „weiß“ durch die Smartmeter, wie viel elektrische Energie gerade benötigt wird, und durch die Kraftwerke, wie viel produziert werden kann. Wenn gerade mehr elektrische Energie vorhanden ist, als benötigt wird, betätigen Smartmeter zum Beispiel Geräte, die hohe Energieumwandlungsraten haben (Geschirrspüler, Waschmaschine,…) oder sorgen dafür, dass Elektroautos aufgeladen werden [5].
NACHTEILE DES SMARTMETERS
Von vielen Seiten werden Smartmeter jedoch auch stark kritisiert. Aus den Daten der Energieentnahme lässt sich einiges über die Konsumenten und Konsumentinnen herausfinden – zum Beispiel, wann Menschen im Haus sind, wann ferngesehen und wann Wäsche gewaschen wird. Bei Haushalten, die einen elektrischen Durchlauferhitzer zur Wassererwärmung verwenden, kann über das Profil der täglichen Energieentnahme aus dem Netz (Abb. 4) ermittelt werden, wann jemand duscht (hohe, charakteristische Energieentnahme). Über die Anzahl der Duschvorgänge kann darauf geschlossen werden, wie viele Personen in etwa in diesem Haus leben [1]. Im schlimmsten Fall (wenn die Daten alle 2 Sekunden übertragen werden) lässt sich sogar herausfinden, herausfinden, welches Fernsehprogramm gerade geschaut wird: durch den unterschiedlichen Energiebedarf bei hellen und dunklen Fernsehbildern [6]. Die Energieversorgungsunternehmen beteuern zwar, dass die Datenübertragung absolut sicher sei, und dass keine Konsumentendaten an Dritte weitergegeben würden, aber Datenschützer glauben nicht wirklich daran. Die Smartmeter, die derzeit eingesetzt werden, sind ihrer Meinung nach noch nicht sicher genug [7].
Und es gibt weitere Aspekte: Das Stromnetz, wie wir es derzeit kennen, ist ein sehr gut funktionierendes Netz, wesentlich ausfallssicherer als das Telefonnetz oder das Internet. Das kommt unter anderem auch daher, dass relativ alte und sichere Technologien verwendet werden, um es zu steuern. Mit der Verbindung von Stromnetz und Informationstechnologie könnten die Ausfälle häufiger werden, da die Sicherheitsrisiken steigen (fehlerhaft übermittelte Daten, Ausschalten größere Regionen per Knopfdruck – auch durch Hacker oder Terroristen [7]). Auch die Kosten für die Umrüstung auf die neuen Zähler sind nicht unerheblich.
In Österreich wird mit Kosten von 1,4 bis 1,9 Milliarden Euro gerechnet. Dabei ist noch nicht sicher, ob der gewünschte Energiespareffekt bei den Konsumenten wirklich eintritt. Die Tarife für elektrische Energie könnten zudem so undurchsichtig und schwer vergleichbar wie die Handytarife werden (wie zum Beispiel in Großbritannien) [2].
SMARTMETER IM TEST
Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung führte im Jahr 2010 einen Feldversuch mit 1500 Haushalten in Linz durch. Die eine Hälfte der Haushalte wurde dabei mit Smartmetern ausgestattet, die andere Hälfte diente als Kontrollgruppe. Die Smartmeter-Besitzer wurden regelmäßig per Internet oder per Post über ihren Stromverbrauch informiert. Die Studie ergab, dass durch das ständige Verbrauchs-Feedback durchschnittlich etwa 4,5% des Stromverbrauchs eingespart werden konnten [8].
SMARTMETER ODER DOCH LIEBER DAS ALTE SYSTEM?
Eine EU Richtlinie gibt die Einführung „intelligenter Messysteme“ vor, um die europäischen Energiemärkte für alle Konsumenten zugänglich zu machen [9]. Bis 2020 sollen laut EU Verordnung 80 % aller Haushalte mit Smartmetern ausgestattet sein. In Österreich sollen schon bis 2019 95% aller Haushalte mit Smartmetern ausgestattet sein [10]. Es steht fest, dass die Datensicherheit bis dahin noch verbessert werden muss und dass das auch vom Gesetz her vorgegeben werden muss. Smartmeter bieten aber trotzdem eine Menge von Möglichkeiten für die Zukunft, vor allem, wenn man von intelligenten Stromnetzen und vielen kleinen Energielieferanten ausgeht, die miteinander vernetzt werden müssen, damit das funktioniert. Dann werden die herkömmlichen Drehstromzähler nicht mehr mithalten können.
Quellen
QUELLEN: [1] http://de.wikipedia.org/wiki/Stromz%C3%A4hler [3.5.2014] [2] ZAK (Zeitung für Aarbeiter und Angestellte für Steiermark NR. 12, September 2012 [3] http://www.elektronikpraxis.vogel.de/index.cfm?pid=864&pk=368971 [13. 9.2014] [4] HTTPS://WWW.ECONITOR.DE/MAGAZIN/WOHNEN/STROM/SMART-METER-VERBRAUCHERFREUNDLICHES-ENERGIEMANAGEMENT_1351.HTML [3.1.2014[] [5] HTTP://WWW.ENERGICOS.DE/HOME/KUNDENBEREICH/AKTUELLES/WISSEN/TECHNIK-KNOW-HOW/SMART-GRID/ [13. 9.2014] [6] http://www.nordbayern.de/ressorts/smartmeter-kleine-spione-im-haushalt-1.1574293?searched=true [13. 9.2014] [7] http://derstandard.at/1385172336308/Datenschuetzer-hat-massive-Bedenken-bei-Smart-Meter [3.1.2015] [8] Schleich, J., Klobasa M., Gölz, S., Brunner ,M. (2012). Effects of feedback on residential electricity demand – findings from a field trial in Austria. Karlsruhe: Fraunhofer ISI, S8; http://www.isi.fraunhofer.de/isi-wAssets/docs/e-x/de/working-papers-sustainability-and-innovation/WP08-2012_Feedback-effects_Energy-Policy.pdf [6.5.2014] [9] http://www.e-control.at/de/marktteilnehmer/strom/smart-metering [3. 5.2014] [10] Ö1 Journal Panorama „Smartmeter“, 6.11.2012