Akademisches Gymnasium, Wien
Über die Aussagekraft forensischer Palynologie.
Jeder Ort hat ein einzigartiges Pollenprofil, d. h. eine bestimmte Zusammensetzung von verschiedenen Pollentypen. Pollen wird von Wind, Wasser oder Tieren auf den weiblichen Teil der Blüte übertragen, um die sexuelle Fortpflanzung zu ermöglichen. Da in der Regel sehr viel Pollen produziert wird, aber nur wenige zum weiblichen Fortpflanzungsorgan gelangen, wird überschüssiger Pollen in näherer oder weiterer Entfernung von der Pflanze abgelagert. Pollen ist deshalb so aussagekräftig, weil er überall ist, mikroskopisch klein, sehr widerstandfähig und sehr genau zu bestimmen ist. Im Projekt PALY-KiP3 konstruierten Wissenschaftlerinnen der Universität Wien für eine Klasse des Akademischen Gymnasiums Wien einen Fall, der mithilfe der forensischen Palynologie zu lösen war. Darunter versteht man die Analyse von Pollenproben, um Verbrechen aufzuklären. Durch den Vergleich der Pollenzusammensetzung von Tatort und Proben von der Kleidung Verdächtiger kann festgestellt werden, ob eine bestimmte Person am Tatort war. Im konkreten Fall ging es um den Diebstahl einer wertvollen Münze.
Der Fall
Am 7. Januar 2013 entdeckte eine Schülerin des Akademischen Gymnasiums Wien eine Münze vor dem Aquarium im Biologiesaal der Schule. Später stellte sich heraus, dass die Münze aus einer wertvollen Sammlung des Kunsthistorischen Museums (KHM) stammte. Die Polizei konnte über Videoaufnahmen im KHM Größe und Statur einer verdächtigen Person herausfi nden. Aufgrund der Weihnachtsferien war zwischen Tatzeitpunkt und Fundzeitpunkt nur ein geschlossener Personenkreis im Akademischen Gymnasium und so kamen drei Verdächtige in Betracht. Um zu überprüfen, wer der drei Verdächtigen die Münze vor dem Aquarium versteckt oder verloren hatte, wandte sich die Polizei an ein palynologisches Labor. Die Polizei sicherte vier Proben: Jeweils eine von der Kleidung der drei Verdächtigen und eine Staubprobe vom Tatort. Pollenkörner bleiben nahezu überall – so auch an Kleidung – haften und sind für das menschliche Auge unsichtbar, daher sind diese Spuren kaum zu vermeiden oder zu verwischen. Die Proben wurden im Labor aufbereitet. Dazu wurde die Kleidung der Verdächtigen gewaschen und die im Waschwasser enthaltenen Pollen durch mehrmaliges Zentrifugieren konzentriert. Dann konnte mikroskopiert werden. Beim Mikroskopieren wurden die Proben genau untersucht und jedes gefundene Pollenkorn bestimmt und gezählt. Die Abbildungen 1 bis 5 zeigen einige der häufigsten Pollenarten in den untersuchten Proben, so wie sie unter dem Mikroskop aussehen. Typ und Anzahl der Pollenkörner trugen wir in einem Protokoll mit Strichlisten ein. Das Vorgehen musste sehr genau am Computer dokumentiert werden. Nach zwei Tagen intensiver Pollenanalyse hatten wir 300 Pollen pro Probe gefunden, was als statistisch aussagekräftiger Wert gilt. Die einzelnen Protokolle wurden zu Gruppenprotokollen zusammengefasst und die Werte in Exceltabellen eingetragen.
Außerdem wurden Diagramme, so genannte Pollenprofile, zur besseren Veranschaulichung erstellt. Nachdem alle Diagramme und Tabellen fertig gestellt und ausgedruckt waren, konnten die Proben verglichen und erste Vermutungen angestellt werden. Schnell wurde klar, dass das Pollenprofil des ersten Verdächtigen dem des Tatortes sehr ähnelte (Abb. 6 und 7). Man kann daher anhand der sehr ähnlichen Pollentypen und der Anzahl, mit der sie in den Proben vertreten sind, mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich der Verdächtige 1 am Tatort aufhielt. Im Diagramm ist sehr gut das Verhältnis der gelb dargestellten Ambrosia-Pollenkörner erkennbar. Außerdem kann man das in den Diagrammen sehr unähnlich scheinende Verhältnis von den blau eingefärbten Pinaceaen (deutscher Name: Kieferngewächse) außer Acht lassen, da man Pinaceaen als so genannte „Allerweltspollen“ bezeichnen kann. Das heißt, dass sie nahezu überall vertreten sind und aus diesem Grund wertlos für die Auswertung sind. Im Vergleich dazu weisen die Pollenprofile der anderen zwei Verdächtigen (Abb. 8 und 9) keine solchen Ähnlichkeiten zur Tatortprobe auf.
Abb. 6: Pollenprofil vom Tatort.
Hier ist ein Ausschnitt des Gutachtens für die Polizei:
„Die beiden Proben (Verdächtiger 1 und Tatort) haben sehr ähnliche Pollenspektren, sodass wahrscheinlich auf einen gemeinsamen Ursprung der in den Proben enthaltenen Pollen geschlossen werden kann. In beiden Proben wurden nahezu gleich große Anteile an Ambrosia gefunden, und die restlichen Anteile wie Eiche (Quercus sp.), Birke (Betula sp.), Ginkgo und Süßgräser (Poaceae) stimmen weitgehend überein. Die Anteile an Brennesselgewächsen (Urticaceae) und Kletterwein (Parthenocissus sp.) sind auch sehr ähnlich. Der einzige gravierende Unterschied ist in der Anzahl der Kieferngewächse (Pinaceae) zu finden, welche aber keinen großen forensischen Wert haben. Die Proben 2 und 3 zeigen ein gänzlich anderes Pollenspektrum, z.B. enthält Probe 2 nahezu keine Ambrosia, und bei Probe 3 ist der Anteil an Birke (Betula sp.) gegenüber allen anderen Proben deutlich erhöht.“
Durch unsere Arbeit bekamen wir einen faszinierenden Einblick in die kriminologische Arbeit – und lernten, dass auch Pflanzen Täter überführen können. Die forensische Palynologie ist eine wirksame und zuverlässige Methode, allerdings muss sie sehr präzise und sorgfältig durchgeführt werden.
Danksagung
Wir danken herzlich dem gesamten Team des Projekt PALY-KiP3 für diese lehrreiche Projektwoche, insbesondere Frau Prof. Martina Weber und Frau Silvia Ulrich vom Departement für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Universität Wien, Frau Christine Heidinger vom Österreichischen Kompetenzzentrum für Didaktik der Biologie der Universität Wien, und Frau Prof. Heidemarie Amon vom Akademischen Gymnasium Wien. Das Projekt wurde finanziert vom Förderprogramm „Sparkling Science“ des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.
Fotos:
Beispiele von Pollenkörnern unter dem Mikroskop (Silvia Ulrich und Martina Weber, Universität Wien).